Multiple entoptische Phänomene machen Krankheitswertigkeit aus
Auf den ersten Blick erscheint einer Vielzahl von Augenärzten - im Vergleich zu anderen bedeutenden Augenschäden - die Beschwerdeproblematik bei Floater-Patienten unverhältnismäßig stark ausgeprägt zu sein. Ein wesentlicher Grund für diese von außen getroffene Einschätzung, die oftmals ganz erheblich von der Wahrnehmung des Patienten, der immerhin an der Störung leidet, abweicht, mag darin liegen, dass es eines Perspektivenwechsels bedarf, um die vom Patienten angegebene Symptombelastung besser zu verstehen und nachvollziehen zu können.
Die Visusmessung mit Hintergrundbeleuchtung ist zur Beurteilung der Beeinträchtigung durch Floater nicht ausreichend. Bei der Beratung von Floater-Patienten ist es daher nicht zweckdienlich nach der Faustregel: „hoher Visus = gute oder ausreichende Sehqualität“ 9, 10, 11, 24, 25, 35, geschweige denn von einem uneingeschränkten Visus unter Alltagsbedingungen, auszugehen. In Situationen, die erhöhte Aufmerksamkeit verlangen z. B. bei präziser bzw. gefährlicher Arbeit und in Verkehrssituationen, verursacht der Verlust an Sehinformation und die Mobilität der Trübungen Irritationen, die eine zeitlich angemessene bzw. reflektorische Reaktion nicht mehr zulassen. Diese Faktoren fanden bisher durch die Augenheilkunde wenig Beachtung.
Die störenden entoptischen Phänomene und die Mobilität der Trübungen sind es, die den von Patienten angegebenen hohen Leidensdruck erzeugen und wegen ihrer stetig wechselnden Symptomausprägung je nach Ausgestaltung kaum Spielraum für Habituationsprozesse des visuellen Systems zulassen. Mit Behauptungen, dass Glaskörpertrübungen vor einem hellen Hintergrund sichtbar sind, dass das Gehirn lernt sie auszublenden und dass man sich mit der Zeit daran gewöhnt, wird man dem Problem nicht gerecht 23, 24, 25, 28, 34.
Die Funktions- und Handlungsfähigkeit von Patienten mit starken Glaskörpertrübungen kann im Alltag und insbesondere im Beruf erheblich beeinträchtigt sein. So ist die Fähigkeit vollständige Areale über einen längeren Zeitraum zu erfassen eine wesentliche Voraussetzung, um Tätigkeiten und Abläufe visuell organisieren und durchführen zu können. Dabei sind Augen, Kopf und Körper ständig in Bewegung, sodass die Floater im gleichen Rhythmus ständig mitschwingen. Zum Verlust von Sehinformationen durch die auftretenden entoptischen Phänomene kommt es z. B. schon bei kurzen Blickwechseln. Nachstehend sind einige entoptische Phänomene aufgeführt, die bei Floater-Patienten auftreten können. Aufgrund individueller Besonderheiten von Glaskörperveränderungen und durch die Kombination dieser unerwünschten optischen Phänomene müssen die vom Patienten beschriebenen Beeinträchtigungen selbstverständlich nicht immer in der unten aufgeführten Reinform auftreten.
Abb. 3: Ein intakter Glaskörper ist optisch transparent und verhindert Lichtstreuung; durch Glaskörpertrübungen entsteht eine Reihe von belastenden entoptischen Phänomenen.
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Anhaltende visuelle Unruhe
Bei jeder natürlichen Augen-, Kopf- und Körperbewegung schleudern und rotieren Trübungen und schwingen nach. Trübe verflüssigte Glaskörpermaterie flottiert je nach Ebene im Glaskörperraum, mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. -
Glare, Halogene, Starbursts
Lichthöfe (Halogene, engl. Halos) und Strahlenkränze (engl. Starburst), insbesondere um Lichtquellen und an reflektierenden Oberflächen, sowie Überblendungseffekte (engl. Glare). -
Verspringen des Bildes
Ist der Glaskörper abgehoben, verursachen anhaftendes Gewebe von Netzhaut und Papille sowie Rupturen und Falten in der Glaskörperrinde zu Lichtbrechungen. Aufgrund der kontinuierlichen Änderung der Lichtbrechung und begünstigt durch die Eigendynamik des Glaskörpers, der sich dem Betroffenen als permanent hin und her schwingenden Vorhang präsentiert, „verspringen“ Sehobjekte scheinbar. Schwenkt z. B. beim Lesen der Blick am Ende einer Zeile nach vorne zur nächsten Zeile, schwappt der Vorhang samt Weiss-Ring durch das zentrale Gesichtsfeld und die Zeile, die man lesen wollte, ist nicht mehr auffindbar, weil sie „versprungen“ ist.
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Emulsionsartige Turbulenzen
Diffuses turbulenzartiges Streuungsphänomen, gleichsam dem Schneetreiben vor Straßenlaternen; reflektiertes Sonnenlicht und Licht von Fahrzeugscheinwerfern zerfällt dabei in allen Farben des Farbspektrums. Je nach Form und Farbe der Lichtquelle bzw. der reflektierenden Oberfläche kann die Streuung strahlenförmig, flächig oder magnetischen Feldlinien ähnlich sein. -
Flashbulb-Effekt
Aufblitzende Lichtstreuung und Blendung, wenn auffällige Trübungen, wie z. B. die Weiss-Ringe, vor einer Lichtquelle die Sehachse passieren. -
Dynamischer Glare
Durch flottierende Wolken verursachtes Aufleuchten verbunden mit Blendung. -
Verschwommensehen
Verlust der Kontrastsensitivität; verschwommenes Sehen mit Verlust von Detailinformationen, was die Fähigkeit, längere Zeit zu lesen bzw. visuell oder handwerklich tätig zu sein, einschränkt.